Auf Forschungsreise in Brasilien
Prof. Dr. Martin Zimmer ist Küstenökologe und leitet die Arbeitsgruppe Mangrovenökologie am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung in Bremen. Er beschäftigt sich mit Ökosystemprozessen und -leistungen in Mangroven, wie diese von den Lebensgemeinschaften der Mangroven abhängen, und wie sie durch nachhaltige Nutzung und Schutz der Mangroven weltweit aufrecht erhalten werden können.
Mangroven sind salzwassertolerante tropische Gezeitenwälder an der Grenze zwischen Land und Meer, die eine große Vielfalt an außergewöhnlichen Lebensformen beherbergen.
Erste Schwierigkeiten gleich nach der Ankunft am Flughafen Belém: der Mietwagen ist nicht groß genug für unser ganzes Gepäck, wir müssen den Anbieter wechseln und kommen dann doch noch mit der vollständigen Forschungsausrüstung in Bragança an. Dort wird der Campus bestreikt – aus Protest gegen die Sparpläne der neuen brasilianischen Regierung – und die Studenten blockieren die Zufahrt zur Uni: hinein dürfen wir, aber nur zu Fuß. Wegen des Streiks wurde auch ein Paket mit Verbrauchsmaterial nicht weitergeleitet, zum Glück helfen uns die Kollegen vor Ort mit ihrem eigenen Material aus.
Endlich in den Mangroven, vermessen wir die Vegetation mit einem GPS-Empfänger mit höchster Auflösung, um Satellitenaufnahmen der Halbinsel von Ajuruteua auswerten zu können. Das Gebiet ist Teil der zweitgrößten Mangrovenregion der Welt, das ZMT forscht dort schon seit 1995. Uns interessieren die Veränderungen in der Mangrovenvegetation, also welche Mangrovenarten wo vorkommen und welche Fläche bedecken. Das erfordert stundenlange Wanderungen mit schwerem Gepäck durch Mangroven, Salzmarschen und Grasland – bei schwülen 35 °C und schlammigen Böden.
Für die folgenden zwei Wochen stehen Sedimentproben auf dem Programm. Wir wollen mit molekularbiologischen Methoden die Zusammensetzung der Mikroorganismen- und Tierarten im Sediment verschiedener Mangrovenvegetationstypen erfassen und mit der chemischen Zusammensetzung der organischen Substanz in Beziehung setzen. Letztendlich möchten wir verstehen, wie die Ökosystemleistungen der Mangroven (z.B. die Produktion großer Mengen von Krabben) mit der Lebensgemeinschaft in der Mangrove zusammenhängen und wie letztere geschützt werden kann, um diese Leistungen aufrechtzuhalten. Denn Mangroven gehen weltweit mit einer Flächenverlustrate verloren, die zwei- bis dreimal höher ist als die der tropischen Regenwälder.
Nach drei erfolgreichen Wochen kehren wir nach Bremen zurück. Die vielleicht größte Herausforderung dieser Expedition war wohl, im Schlamm der Mangroven steril Sedimentproben zu nehmen, damit diese nicht mikrobiell verunreinigt werden und verfälschte Ergebnisse liefern. Noch schwieriger wird es bei unserem nächsten Aufenthalt während der Regenzeit werden: wie kann man bei strömendem Regen vermeiden, dass DNA aus der Umgebung das Sediment, das mit einem Bohrkern von Hand an die Oberfläche geholt wird, verunreinigt? Das würde die molekularbiologische Bestimmung der vor Tausenden von Jahren dort lebenden Gemeinschaften erschweren oder gar unmöglich machen. Wie erfolgreich wir sein werden, wird sich zeigen…
13.01.2017