Eine stabile, gesunde Erde ist die Grundlage für all unsere Freiheiten. Doch schon heute bekommen wir einen Vorgeschmack auf einen Planeten, auf den wir uns nicht mehr verlassen können. Es ist damit Aufgabe unserer gesamten Gesellschaft, diese Grundlagen unserer Freiheit zu schützen.
Freiheit heute
Das Fundament unserer Freiheit:
ein stabiler und gesunder Planet
Ein Beitrag von Johan Rockström
Film: „Unsere Erde, Unsere Freiheit“
Der Film „Unsere Erde, Unsere Freiheit“ des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) setzt Freiheit in Zusammenhang mit den Gefahren der von Menschen gemachten Veränderungen des Erdsystems. Gleichzeitig präsentiert er Lösungsvorschläge und Ziele der Nachhaltigkeitstransformation. Im Fokus stehen Schulkinder und ihre Sorgen um die Zukunft der Welt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ordnen ihre Geschichten ein.
Film: Unsere Erde, Unsere Freiheit
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Was bedeutet Freiheit?
Vielen werden dabei zuerst Gesetze in den Sinn kommen: die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit, Menschenrechte, das Grundgesetz. Freiheit von Repression also, von ungerechter Staatsgewalt und Beherrschung. Doch wie so vieles bemerkt man die eigene Freiheit oft erst, wenn sie fehlt: wer schwer erkrankt, wer unter der Armutsgrenze lebt, oder wessen Zuhause durch eine Überschwemmung zerstört wird, der oder die fühlt sich weniger frei – auch wenn auf den ersten Blick keine gesetzlichen Freiheitsrechte gebrochen wurden.
Dabei geht es um eine andere, grundlegendere Form des Freiseins: die Freiheit, das eigene Leben zu leben, und die eigenen Potenziale ausschöpfen zu können. Die Freiheit, wenn man sich keine Sorgen machen muss um die eigene Existenz, die Sicherheit der Familie, oder gar um die nächste Mahlzeit oder Trinkwasser. Die Quelle vieler dieser Freiheiten ist uns so selbstverständlich, dass wir sie kaum bemerken, geschweige denn dafür schätzen: Es ist unsere Erde.
Das Menschenzeitalter
Unser Planet war nicht immer so menschenfreundlich wie heute. Die ersten rund 250.000 Jahre waren wir Homo Sapiens als ständige Nomadinnen und Nomaden einem unberechenbaren Klima ausgesetzt, das sich immer wieder dramatisch änderte. Erst in den letzten 10.000 Jahren stabilisierte sich das Klima auf einem für uns angenehm milden Niveau. Schnell begannen Menschen auf der ganzen Welt, sich niederzulassen, Pflanzen anzubauen, Tiere zu zähmen, und sich zu immer größeren Gruppen zusammenzufinden.
Diese gesicherte Versorgung gab uns die Freiheit, unsere Technik, unsere Kultur, und unsere Gesellschaftsformen weiterzuentwickeln. Auf dem stabilen Fundament unserer Umwelt, aus der wir scheinbar beliebig Wasser, Nahrung, und Materialien entnehmen konnten, bauten wir unseren beispiellosen Erfolg auf. Heute sind wir so mächtig und so viele, dass wir die stärkste Kraft auf diesem Planeten darstellen: Das Anthropozän, das Menschen-dominierte Erdzeitalter, hat längst begonnen.
Die strauchelnde Erde
Doch unser Erfolg brachte Veränderungen mit sich. Unsere Abhängigkeit von fossilen Energien erwärmt das Klima. Unsere Nutzung der Natur für die Nahrungsmittelproduktion verdrängt natürliche Ökosysteme. Unser Wasserverbrauch trocknet ganze Flüsse aus. Heute ist sich die Wissenschaft einig: Wir bringen die natürlichen Kreisläufe der Erde, auf die wir uns bisher verlassen konnten, aus dem Takt.
Als die Wissenschaft in den 1950er-Jahren erstmals den CO₂-Anstieg in der Atmosphäre beobachtete, lagen die Folgen noch in weiter Ferne. Heute, ein Menschenleben und ca. 1.25°C[1] globaler Erwärmung später, sind uns Dürren und Überflutungen, Hitzewellen und Stürme, Meeresspiegelanstieg und Waldsterben bereits vertraut. Das ist nur ein Vorgeschmack – denn wir sind auf dem Weg in eine Welt mit doppelt so viel Erwärmung.
Trotzdem ist der Klimawandel nur ein Teil des Problems: Indem wir außerdem Natur und Lebensräume zerstören, neuartige Chemikalien freisetzen und Böden überdüngen, überschreiten wir weitere Belastungsgrenzen unseres Planeten. Zusammen ergeben all diese Gefahren mehr als die Summe ihrer Teile: Wie einem Patienten, der an mehreren Krankheiten und Verletzungen gleichzeitig leidet, droht auch dem Fundament unserer Gesellschaften der Kollaps.
[1]Nach der Messmethode des Weltklimarats (IPCC), die ein 10-Jahres-Mittel nutzt, hat sich die Erde bisher um 1,25°C erwärmt. Die Jahre 2023 und 2024 waren jedoch bedeutend wärmer; in den letzten 12 Monaten hat die globale Erderwärmung erstmals 1.5°C erreicht.
Das Überschreiten planetarer Belastungsgrenzen bedroht uns als Gemeinschaft – und nur als Gemeinschaft können wir unsere Freiheiten verteidigen.
Prof. Dr. Johan Rockström
Direktor des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
Freiheiten verteidigen
Klimawandel und Umweltzerstörung sind damit kein Problem künftiger Generationen mehr. Sie bedrohen schon heute und konkret unsere Gesellschaft, unsere Demokratie, unseren Handlungsspielraum – unsere Freiheit. Viele der zerstörerischen Folgen sind nicht mehr abzuwenden. Verschärft durch Klimawandel und Wasserknappheit leiden heute doppelt so viele Menschen an akuter Ernährungsunsicherheit wie noch vor sieben Jahren – ein Nährboden für politische Instabilität, bewaffnete Konflikte und daraus resultierende Fluchtwellen. Allein die bis heute ausgestoßenen Treibhausgase werden in den nächsten 25 Jahren zu weltweiten Einkommenseinbußen von fast 20% führen.
Beispiele wie diese machen uns zu Recht Angst – doch noch haben wir die Möglichkeit, die größten Katastrophen abzuwenden. Denn mit unseren Anstrengungen, den Klimawandel und die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen aufzuhalten, stehen wir heute nicht mehr am Anfang. Erfolgsversprechende Lösungsansätze gibt es quer durch unsere Gesellschaften: Sie reichen von individuellen Entscheidungen über das Engagement von Bürgerinitiativen und Nichtregierungsorganisationen bis zu Erkenntnissen aus der Wissenschaft, von Verpflichtungen im Wirtschafts- und Finanzsektor bis zu den Instrumenten politischer Institutionen und internationalen Abkommen. Das Problem ist in den Köpfen angekommen: Weltweit wollen vier von fünf Menschen, dass ihre Regierung mehr für den Klimaschutz tut.
Diese Anstrengungen sind noch lange nicht ausreichend. Wir benötigen dringend mehr engagierte Menschen, bahnbrechende Forschung, intensiven politischen Druck und eine entschlossene Bereitschaft zur Veränderung. Was uns motivieren sollte: Die Gesellschaften, auf die wir damit hinarbeiten, werden gesünder, lebenswerter, freier sein als heute. Das Überschreiten planetarer Belastungsgrenzen bedroht uns als Gemeinschaft – und nur als Gemeinschaft können wir unsere Freiheiten verteidigen.
Johan Rockström
Johan Rockström ist Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und Professor für Erdsystemwissenschaften an der Universität Potsdam. Er gehört weltweit zu den führenden Wissenschaftlern auf den Gebieten der globalen Nachhaltigkeit und der Widerstandsfähigkeit des Erdsystems. Unter seiner Leitung entstand das Planetary Boundaries Framework, das zeigt, wie nachhaltige Entwicklung für die Menschheit innerhalb der Belastungsgrenzen unseres Planeten möglich ist. Professor Rockström forscht intensiv zu den Herausforderungen des Anthropozäns, zu Kipppunkten im Erdsystem und zu einer zukunftsfähigen Gestaltung unserer Welt. Mit seiner Arbeit trägt er maßgeblich dazu bei, wissenschaftliche Erkenntnisse für eine nachhaltige Zukunft zu gewinnen und zugänglich zu machen.
Freiheit weltweit
Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2024 – Freiheit.