Nachhaltigkeit rechnet sich

Abakus

Die Erwartungen von Investoren, Politik und Öffentlichkeit an das Verantwortungsbewusstsein der Wirtschaft steigen. Unternehmen sehen sich deshalb zunehmend in der Pflicht, nachhaltiger zu wirtschaften – und ihr gesellschaftliches und ökologisches Engagement auch nach außen zu kommunizieren. Trotzdem sind viele noch nicht bereit, das Thema Nachhaltigkeit strategisch anzugehen. Dabei hat die Forschung längst mit dem alten Vorurteil aufgeräumt, dass Nachhaltigkeit sich ökonomisch nicht auszahle.

Nachhaltigkeit ist ein Topthema in deutschen Führungsetagen. Laut einer aktuellen Studie des Deutschen Aktieninstituts und des Sustainable Business Institutes (SBI) hat eine nachhaltige Entwicklung für zwei Drittel der börsennotierten Unternehmen in Deutschland eine hohe Bedeutung. Fast alle DAX-Konzerne veröffentlichen mittlerweile Nachhaltigkeitsberichte und auch viele kleinere Unternehmen und Mittelständler setzen sich intensiv mit dem Thema auseinander. Doch während 86 Prozent der Unternehmen der Aussage „Nachhaltigkeit bedeutet langfristigen ökonomischen Erfolg“ zustimmen, sehen gleichzeitig viele ihre kurzfristigen finanziellen Ziele durch die Anforderungen der Nachhaltigkeit gefährdet.

Strategische Orientierung fehlt

Der Glaube, dass sozial-ökologisches Engagement vielleicht dem Ruf eines Unternehmens in der Öffentlichkeit und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dient, jedoch für die Bücher nichts bringt, ist noch weit verbreitet. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest das „Corporate Sustainability Barometer“, das vom Centre für Sustainability Management (CSM) der Leuphana Universität Lüneburg in Kooperation mit der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) erstellt wurde. Das Nachhaltigkeitsmanagement der deutschen Wirtschaft orientiert sich demnach nur selten strategisch am Markt. Das zeigt auch die Studie des Deutschen Aktieninstituts: So sehen zwar mehr als zwei Drittel der Unternehmen eine Reduktion ihrer CO2-Emissionen als wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung an. Einen Beitrag zum Shareholder Value, also dem Wert des Unternehmens, sieht darin jedoch nur ein Drittel.

„Für viele ist eine Verbindung zwischen einem Shareholder-Value-Modell und Nachhaltigkeit etwas Fremdartiges, ja sogar Widersprüchliches“, erklärt Professor Henry Schäfer, Leiter der Abteilung Finanzwirtschaft des Betriebswirtschaftlichen Instituts an der Universität Stuttgart. Tatsächlich lasse sich aber zeigen, dass „Nachhaltigkeit die gesamte Wertschöpfungsstruktur eines Unternehmens durchziehen kann und bei der Beschaffung und im Absatz auch über die Unternehmensgrenzen hinaus auf die Stakeholder wirkt“, so Schäfer weiter. Zudem werde Nachhaltigkeit immer messbarer – „auch aus Sicht der Controller.“ Mit so genannten Sustainability Scorecards sind Finanzprüfer beispielsweise heute bereits in der Lage, den CO2-Ausstoß praktisch jedes Geschäftsvorgangs in einer Art Buchhaltung zu erfassen. „Green Controlling“ heißt dieser Trend.

Geschäftsmann mit grünem Blatt in der Anzugtasche

Investoren achten verstärkt auf Nachhaltigkeit 

Unternehmen, die ihre ökologischen Risiken reduzieren, haben zwar im ersten Moment höhere Ausgaben – etwa, wenn sie ihre Produktionsweise ändern. Doch in Zukunft werden sie niedrigere Kreditzinsen zahlen oder auch weniger Geld für Rohstoffe ausgeben müssen. Beides erhöht tendenziell den Unternehmenswert. „Das Ganze ist aber nur über einen Zeitraum wirksam“, sagt Professor Henry Schäfer, „vielen Unternehmensleitungen ist Nachhaltigkeit als dynamisches Phänomen noch zu wenig bewusst.“ Der Druck kommt derzeit daher eher von außen – beispielsweise durch institutionelle Anleger am Finanzmarkt: Fast zwei Drittel der Großinvestoren haben mittlerweile nachhaltige Strategien in ihre Geldanlage integriert, wie eine aktuelle Studie der Fondsgesellschaft Union Investment zeigt.

Wie nachhaltig Unternehmen wirtschaften, bewertet dabei eine Reihe von spezialisierten Ratingagenturen. Zwar beklagen Unternehmen die mangelnde Transparenz der Bewertungsmethoden der Agenturen. Dennoch sieht Professor Henry Schäfer die Rankings als Instrument der Messung von Nachhaltigkeit auf einem guten Weg. „Die Ratings sind über die Jahre im Durchschnitt sehr viel professioneller geworden“, betont er. Unter anderem haben Schäfer und sein Team mit dem Forschungsprojekt ARGUS eine Onlineplattform geschaffen, die die Kommunikation und Transparenz zwischen den Akteuren des Marktes verbessern soll.

Zudem hat sich die Gemeinschaft der Ratinganbieter einen eigenen Qualitätsstandard gegeben, der von immer mehr Agenturen unterzeichnet wird. „Allerdings muss einschränkend betont werden, dass es sich bei Nachhaltigkeitsratings immer auch um eine Frage der ethischen Einstellung des Nutzers von solchen Ratings handelt“, sagt Henry Schäfer. So sind ethische Investoren, die soziale und ökologische Kriterien in ihrer Geldanlage berücksichtigen, in ihren Motivationen und Zielen sehr vielseitig. Das Thema Nachhaltigkeit ist eben längst im Mainstream der Anleger angekommen – und wird daher für Unternehmen weiter an Bedeutung gewinnen.

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Weitere Informationen:

Studie des Deutschen Aktieninstituts und des Sustainable Business Institutes (pdf)
Forschungsprojekt ARGUS
„Corporate Sustainability Barometer“

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