Landarzt gesucht
Die Zahl der Ärzte ist so hoch wie nie, aber es gibt Lücken in der Versorgung auf dem Land. Viele Gemeinden sind auf ausländische Fachkräfte angewiesen, um flächendeckend medizinische Behandlung zu gewährleisten. Die Wissenschaft sucht nach Ursachen für die mangelnde Bereitschaft, sich als Landarzt niederzulassen.
Lange hatte man in Klockow, einer kleinen Gemeinde in der Uckermark, vergeblich nach einem Nachfolger für Landärztin Dr. Heide Schmidt gesucht. Dann, im Sommer 2012, war endlich ein Ersatz gefunden. Seit sieben Monaten kann die 71-Jährige nun ihren wohlverdienten Ruhestand genießen. Abgelöst wurde sie durch Dr. Marcin Florczak aus Stettin, der seitdem täglich von Polen nach Klockow pendelt, um die etwa 400 Patienten dort zu versorgen. Der 40-Jährige Allgemeinmediziner ist einer von über 30.000 ausländischen Ärzten, die derzeit in Deutschland arbeiten. Ihre Anzahl hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt, wie eine Statistik der Bundesärztekammer belegt. Über ein Drittel der ausländischen Ärzte stammt demnach aus Osteuropa. Für viele Gemeinden ist diese Unterstützung eine erhebliche Erleichterung – und die einzige Lösung, um die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum sicherzustellen.
Denn Klockow ist kein Einzelfall. In vielen Regionen – und längst nicht nur in Ostdeutschland – müssen Gemeinden, Ärztekammern und Krankenkassen lange nach einem Nachfolger suchen, wenn Ärzte ihre Praxis aufgeben und in Rente gehen. Dabei herrscht in Deutschland kein Ärztemangel, im Gegenteil: Derzeit praktizieren in Deutschland an die 150.000 Haus- und Fachärzte sowie Psychotherapeuten, die Kassenpatienten behandeln. Das sind annähernd 60.000 Kassenärzte mehr als noch Anfang der neunziger Jahre. Grund für die Unterversorgung auf dem Land ist vielmehr die starke Konzentration der Arztpraxen auf Städte und Ballungszentren. So entsteht trotz der statistischen Überversorgung ein Engpass in strukturschwachen Regionen, der die Bürger dort vor große Probleme stellt, denn viele, vor allem Ältere, können keine langen Anfahrtswege bis zum Arztbesuch mehr auf sich nehmen.
Forschung zu Versorgung auf dem Land
Nach den Ursachen für die ungleiche Verteilung forschen Prof. Dr. Attila Altiner und seine Mitarbeiter von der Universität Rostock. In einer aktuellen vom BMBF geförderten Studie werden Hausärzte in Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen zu ihren persönlichen Beweggründen für eine Niederlassung auf dem Land befragt. Ziel ist es, den individuellen Entscheidungsprozess für eine Karriere als Landarzt nachzuvollziehen. „Da wir bereits wissen, dass die meisten Landärzte sehr zufrieden mit ihrer Tätigkeit sind, stellt sich die Frage, warum nicht mehr Mediziner auf dem Land arbeiten“, erläutert Altiner. Der Wissenschaftler hofft, den Entscheidern im Gesundheitssystem mit der Studie wichtige Informationen zur Hand geben zu können, damit diese künftige Versorgungslücken verringern oder schließen können. Der Handlungsbedarf ist groß: Im Zuge des demografischen Wandels werden sich die Engpässe weiter verschärfen. Denn in einer alternden Gesellschaft verändert sich – gerade in den ländlichen Regionen – die Nachfrage nach ärztlichen Leistungen.
Fragt man Marcin Florczak nach seinen Beweggründen, so nennt er vor allem die guten Arbeitsbedingungen und Weiterbildungsmöglichkeiten in der Bundesrepublik. Die Unterschiede für einen Arzt in Polen und Deutschland seien ansonsten eher gering, meint Florczak. „Die Leute sind dieselben, die Probleme sind dieselben, nur die Sprache ist anders.“ Deutsch hat der Mediziner vor zwanzig Jahren in der Schule gelernt. „Am Anfang hatte ich Angst, dass mich die Patienten nicht verstehen.“ Doch diese Sorge hat sich als völlig unbegründet erwiesen. „Für einen Arzt ist es letztlich egal, wo er arbeitet und woher seine Patienten kommen“, erklärt Florczak, „wichtig ist nur, dass man den Menschen helfen kann.“
Ärztliche Versorgung im ländlichen Raum
Marcin Florczak ist einer von über 30.000 ausländischen Ärzten, die 2012 in Deutschland tätig waren. Ihre Anzahl hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt, wie eine Statistik der Bundesärztekammer belegt. Über ein Drittel der ausländischen Ärzte stammt demnach aus Osteuropa. Für viele Gemeinden ist diese Unterstützung eine erhebliche Erleichterung - und die einzige Lösung, um die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum sicherzustellen.