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Im Gespräch mit Dr. Ulrich Walwei

Damit die Menschen länger arbeiten können, müssen wir sie stark machen, sie mit Kompetenzen und Fähigkeiten ausstatten."

Dr. Ulrich Walwei, Vizedirektor des IAB

Porträt Walwei

Schon seit Jahren wird über den wachsenden Bedarf an Fachkräften diskutiert. Auch die Forschung hat reagiert: Die vom BMBF geförderten Projekte ADMIRE A³ und DEMOCLUST untersuchen, wie in einzelnen Regionen bzw. Branchen auf diese Herausforderung reagiert werden kann. Im Interview erklärt Ulrich Walwei, Vizedirektor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), mit welchen Strategien dem Fachkräftemangel begegnet werden kann.

 

Eine Studie der Robert Bosch Stiftung zeigt, dass die Zahl der potenziellen Arbeitskräfte bis 2030 um 12 Prozent sinken wird. Was muss getan werden, damit wir in Deutschland auch in Zukunft noch genügend Fachkräfte haben?

Für mich gibt es drei Hauptaspekte. Der erste Punkt ist Bildung. Es ist enorm wichtig, Bildungsarmut zu vermeiden und möglichst wenig Geringqualifizierte zu haben. Wir müssen viel für Aus- und Weiterbildung tun, vom lebenslangen Lernen nicht nur sprechen, sondern es auch umsetzen. Zum zweiten muss Deutschland attraktiver werden für gut ausgebildete Arbeitskräfte. Wir brauchen viel mehr kluge Köpfe aus aller Welt und müssen auch im Inland mehr Hochqualifizierte halten. Die dritte große Baustelle sind Erwerbsanreize für Ältere und Frauen. Wir müssen bessere Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schaffen, uns aber auch darum kümmern, dass Betriebe das Erfahrungswissen von älteren Arbeitnehmern hinreichend nutzen. Wir müssen etwas dafür tun, dass es nicht zu einem erhöhten Vorruhestand Hochqualifizierter kommt.

Vor allem in den sogenannten MINT-Berufen fehlen weibliche Fachkräfte. Inwiefern zählen Frauen zur "stillen Reserve"?

Frauen sind Teil der "stillen Reserve", weil sie sich vor allem aus strukturellen Gründen vom Arbeitsmarkt zurückziehen. Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, muss in Deutschland einfacher werden. Da fehlt es an Betreuungseinrichtungen für Kinder, zum Teil auch an bezahlbaren Pflegeeinrichtungen für Senioren. Dazu ist das Steuer- und Sozialversicherungsrecht immer noch sehr stark auf das Ein-Ernährer-Modell fokussiert, welches nicht sehr familienfreundlich ist. Bei entsprechenden Rahmenbedingungen wären gewaltige Potentiale vorhanden, was weibliche Fachkräfte betrifft. Speziell bei den MINT-Berufen spielt auch die Berufswahl eine große Rolle. Dort muss viel früher angesetzt werden - in den Elternhäusern, in den Schulen. Das Interesse für technische Fächer muss bei den Mädchen möglichst früh geweckt werden.

Gibt es Regionen, die vom Wandel stärker betroffen sind als andere? Werden künftig auch die Bundesländer untereinander um die klügsten Köpfe konkurrieren?

Der Konkurrenzkampf wird weniger in Bundesländern als vielmehr in den Regionen stattfinden. Wir erleben schon heute, dass Metropolregionen wie Hamburg oder München den demografischen Wandel erst viel später richtig zu spüren bekommen. Diese Regionen profitieren zurzeit immer noch von der Binnenwanderung vom Land in die Stadt. Im Gegensatz dazu dünnen die ländlichen Regionen immer stärker aus, weil ihnen einerseits der Nachwuchs fehlt, andererseits die Abwanderung anhält.

Was muss Ihrer Meinung nach getan werden, damit der demografische Wandel zur Chance wird?

Damit die Menschen länger arbeiten können, müssen wir sie stark machen, sie mit Kompetenzen und Fähigkeiten ausstatten. Die Alterung der deutschen Gesellschaft ist meiner Meinung nach wichtiger als die Schrumpfung, da die Alterung eine lange Beschäftigungsfähigkeit der Menschen verlangt. Wir müssen die Menschen fit halten, jeder Einzelne muss aber auch selbst eine Menge dafür tun, dass er fit bleibt. Die Frage wird sein, ob Deutschland als ein stark alterndes Land noch in der Lage ist, Produktinnovationen voranzutreiben. Dafür müssen wir eine Menge bereitstellen.

Immer mehr ältere Menschen möchten sich auch im Ruhestand in die Gesellschaft einbringen - etwa durch ein Ehrenamt. Welche Pläne haben Sie fürs Alter?

Ich möchte mich geistig und körperlich fit halten. Dafür tue ich viel, laufe pro Woche 25-30 Kilometer und ernähre mich möglichst gesund. Wenn ich im Alter dann mehr Zeit habe, möchte ich als Wissenschaftler das ein oder andere zu Papier bringen, was ich bis jetzt noch nicht geschrieben habe. In meiner Tätigkeit habe ich das Privileg, mir stetig neues Wissen anzueignen. Da nicht jeder Beruf diese Chance bietet, weiß ich das umso mehr zu schätzen, und es ist mir extrem wichtig, dies zu erhalten.


Über Dr. Ulrich Walwei:

Dr. Ulrich Walwei ist Vizedirektor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit. Seine Forschungsbereiche sind längerfristige Arbeitsmarkttrends, Politikanalysen und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Zudem ist er Mitglied in den Arbeitsgruppen Migration und Integration, Berufsforschung, Berufliche Weiterbildung, Fachkräftebedarf und Qualität der Beschäftigung.

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Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)