Für bessere Diagnosen und Therapien: Wie Ärzte und KI in der Krebsbehandlung zusammenarbeiten
Künstliche Intelligenz (KI) verändert unser Gesundheitswesen nachhaltig. Sie unterstützt Ärztinnen und Ärzte dabei, riesige Mengen medizinscher Daten verlässlicher als je zuvor auszuwerten. Patientinnen und Patienten erhalten so Zugang zu individuellen, maßgeschneiderten Behandlungsoptionen. Das Hasso-Plattner-Institut hat gemeinsam mit der Plattform Lernende Systeme ein Anwendungsszenario entwickelt, das veranschaulicht, wie die KI in naher Zukunft die Behandlung von Lungenkrebs verbessern kann.
Wir schreiben das Jahr 2024: Herr Merk leidet an der chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung (COPD). Auf Herrn Merks Wunsch sind Daten zu seiner COPD-Erkrankung und seinem Lebensstil, z. B. zu seiner Rauchervergangenheit, in seiner digitalen Patientenakte zusammengeführt. Ein KI-Assistenzsystem für Ärztinnen und Ärzte, nutzt diese Daten, um den Verlauf und das Risiko für etwaige Folgeerkrankungen zu errechnen. Dabei vergleicht das KI-Assistenzsystem die Daten mit den Verlaufsdaten einer anonymisierten Gruppe vergleichbarer Patientinnen und Patienten. Die Aussagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit bestimmte Risiken auftreten können, helfen Herrn Merks Hausärztin dabei, frühzeitig auf Folgekrankheiten aufmerksam zu werden. Auch wenn es sich um seltene Erkrankungen handelt. So kann sie passende Vorsorgeuntersuchungen in die Wege leiten, um Herrn Merks Gesundheitszustand bestmöglich zu überwachen. Daher rät sie Herrn Merk zu einer Vorsorgeuntersuchung bei einem Lungenfacharzt.
Dr.-Ing. Matthieu-P. Schapranow
ist Leiter der Arbeitsgruppe "In-Memory Computing for Digital Health" sowie Scientific Manager Digital Health Innovations am Hasso-Plattner-Institut (HPI). Er ist Mitglied der Arbeitsgruppe Gesundheit, Medizintechnik, Pflege der Plattform Lernende Systeme.
KI ermöglicht frühzeitige Diagnose
Herr Merk stellt sich bei einem Lungenfacharzt wegen langanhaltender Atembeschwerden vor. Der Facharzt durchleuchtet Herrn Merks Lunge mithilfe eines Computertomographen (CT) neuester Generation mit geringer Strahlendosis. Bei der Auswertung der CT-Bilder wird der Arzt ebenso von einem KI-Assistenzsystem unterstützt, das Schatten im Bereich der Lunge hervorhebt. Eine anschließende Biopsie (Untersuchung von Gewebe) gibt Gewissheit: Herrn Merks Atembeschwerden werden durch einen Lungentumor hervorgerufen.
Trotz der schwerwiegenden Erkrankung sind dank der frühen Diagnose die Heilungsaussichten sehr gut. Für die Auswahl der passenden Therapie nutzt der Lungenfacharzt ein weiteres KI-Assistenzsystem. Es zeigt der ÄrztIn Untersuchungen und Behandlungsalternativen entsprechend der neuesten Leitlinien. Im Falle von Herrn Merk empfiehlt das System die sofortige Entfernung des Tumors gefolgt von einer Chemotherapie. Während der Operation begleitet ein KI-basiertes Navigationssystem die Chirurgen, das warnt, wenn sie z.B. wichtigen Blutgefäßen zu nahekommen. Herr Merk hat den Eingriff gut überstanden. Zur Auswahl einer geeigneten Therapie nutzt der Facharzt das in Abbildung 2 dargestellte Medical Knowledge Cockpit. Es hilft ihm, Herrn Merks Erkrankung mit weltweiten ähnlichen Fällen zu vergleichen. Der Lungenfacharzt setzt auf eine Kombination mehrerer Wirkstoffe, die das beste Verhältnis aus Wirksamkeit und Nebenwirkungen erwarten lässt.
Datenspende für die Forschung
Die Chemotherapie ist optimal verlaufen. Herr Merk weiß, dass die Erkenntnisse aus seiner Behandlung auch für andere Menschen hilfreich sein können. Deshalb hat er einer freiwilligen Datenspende zugestimmt. Dazu werden seine Daten anonymisiert in eine Forschungsdatenbasis übertragen, die anderen Ärztinnen und Ärzten für die Patientenversorgung und für die Forschung zur Verfügung steht.
Damit das Szenario Realität werden kann, müssen verschiedene technische, rechtliche, gesellschaftliche und ethische Voraussetzungen umgesetzt werden, die die Arbeitsgruppe Gesundheit, Medizintechnik, Pflege der Plattform Lernende Systeme in ihrem Bericht beschreibt. So kann KI dabei helfen, den Behandlungserfolg bei Lungen- sowie anderen Krebserkrankungen zu steigern.
Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2019 – Künstliche Intelligenz.