Künstliche Intelligenz in der Bildung? Wie sich Lehrkräfte und Technologie ergänzen

Ein Expertenbeitrag von Alexander Siebert, Gründer und Geschäftsführer von RetrescoKünstliche Intelligenz (KI) hat das Potential, die Vermittlung von Wissen grundlegend zu verändern. Ob an Universitäten, in Schulen oder bei der Weiterbildung von Erwachsenen: KI kann in Zukunft einen wichtigen Beitrag leisten, Vorhersagen zu treffen und Lerninhalte individuell auszusteuern.

Erste praktische Versuche zur Entwicklung von KI-Anwendungen verfolgen dabei den Ansatz, menschliche Lehrkräfte in ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen - und nicht, Schullehrende oder HochschuldozentInnen zu ersetzen. Unabhängig von den ethischen Auswirkungen solcher Szenarien und der dringenden gesellschaftlichen Auseinandersetzung darüber, ist nicht absehbar, ob und wann die Technologie dazu in der Lage wäre.

Konkrete Beispiele zeigen, auf welchem Stand sich Künstliche Intelligenz heute befindet und wie der Bildungsbereich von den Entwicklungen profitieren kann.

Alexander Siebert ist als Gründer und Geschäftsführer von Retresco verantwortlich für die technologische Entwicklung des Unternehmens. Im Anschluss an sein Studium der Computerlinguistik von 2001-2007 an der Universität Potsdam, war er zwei Jahre an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften tätig, bevor er 2008 Retresco gründete.

Anwendungen für KI in der Bildung

Als Teilgebiet von KI ermöglicht Natural Language Processing (NLP) die maschinelle Verarbeitung natürlicher Sprache. Vor allem in der Schulbildung, zu deren Kernauftrag die Vermittlung von sprachlichen Fähigkeiten und Textkompetenzen gehört, sind NLP-basierte Systeme daher besonders geeignet.

Beispiel 1: Digitale Lernumgebungen

Ein Anbieter von Bildungsmedien experimentiert bereits mit einer KI-basierten Web-Anwendung, bei der Schülerinnen und Schüler von den Lehrenden gestellte Textaufgaben online bearbeiten können. Das System geht dabei weit über das schlichte Auswählen vorformulierter Antworten hinaus: Die KI versteht frei verfasste Antworten, ordnet sie inhaltlich ein, bewertet sie und gibt daraufhin individuelle Rückmeldungen.

Denkbare Szenarien stellen die Abfrage von Wissen, Textverständnis, Fremdsprachenkompetenz oder die Anwendung grammatikalischer Regeln dar. Rechtschreib- und Grammatikfehler werden dabei automatisch erkannt und berichtigt. Der große Vorteil: Jede SchülerIn wird gleichermaßen in ihrem Lernprozess unterstützt, indem sie eine direkte Rückmeldung von der KI erhält und Lehrende werden entlastet.

Beispiel 2: Learning Analytics

Individualisierte Lernprofile stellen jeweilige Stärken, Schwächen und Fortschritte der Lernenden heraus und helfen beim Erkennen dieser. Um auf diese Lernbedürfnisse einzugehen, stellt die KI selbst anhand des Lernprofils individualisierte Aufgaben und Materialien zusammen. Lernende können so anhand ihrer Stärken Themenbereiche erarbeiten.

Ebenso verringert sich durch die flexibel angepasste Zusammenstellung der Aufwand der Erstellung der Lerninhalte für unterschiedliche Leistungsstufen.

Vorteile des Einsatzes von KI in der Bildung

Gerade im Bildungsbereich geht es nicht um den Einsatz von Automatisierung zur Vereinfachung des Denkens, sondern um das Schaffen zugeschnittener, geistiger Herausforderungen. Ziel ist nicht die vollständige Kontrolle des Lernenden durch Maschinen, sondern um ein bestmögliches Lernerlebnis – abgestimmt auf die Möglichkeiten von Lehrkräften und die individuellen Anforderungen der Lernenden.

KI wird vor diesem Hintergrund menschliche Vermittler von Wissen und Fähigkeiten nicht ersetzen können, den ExpertInnen jedoch Routinearbeiten abnehmen und somit die Qualität von Bildung insgesamt erhöhen. Auch lassen sich hierdurch unabhängige individuelle Lernumgebungen schaffen, die dem Lernbedürfnis eines jeden Einzelnen gerecht werden.

Ethische Grundwerte wie Privatsphäre und Selbstbestimmung müssen in diesem Prozess eine große Rolle spielen. Um die verantwortungsvolle und sichere Entwicklung und Nutzung zu gewährleisten, gilt es beteiligte Personen – Lehrende, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern – in den Prozess miteinzubinden. Denn nur Transparenz in der Entwicklung ermöglicht die allseitige Akzeptanz der Technologien.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2019 – Künstliche Intelligenz.

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